Litauen

Litauen1Litauen (litauisch Lietuva) ist ein Staat in Nordeuropa und der südlichste der drei baltischen Staaten. Es grenzt im Westen an die Ostsee und hat gemeinsame Grenzen mit Lettland, Weißrussland, Polen und der russischen Oblast Kaliningrad.

1253 entstand das erste Königreich Litauen. Als Republik erklärte Litauen 1918 seine Unabhängigkeit. Nach der sowjetischen Okkupationszeit erlangte es 1990 wieder staatliche Souveränität. Im Zuge der EU-Erweiterung 2004 wurde Litauen Mitgliedstaat der Europäischen Union und Mitglied der NATO.

Landesnatur

Lage

Litauen grenzt im Norden an Lettland, im Osten und Südosten an Weißrussland. Die Grenze zu Polen im Süden ist nur etwa 100 Kilometer lang, stellt aber die wichtigste Verbindung nach Mittel- und Westeuropa dar. Nach Südwesten schließt sich als Exklave die russische Oblast Kaliningrad an, die Grenze wird teilweise von der Memel gebildet. Im Westen liegt die Ostsee, zu der Litauen über den eisfreien Hafen Klaipėda Zugang hat.

Geografen des Institut Géographique National, des nationalen Geografieinstituts Frankreichs, errechneten 1989 den geografischen Mittelpunkt Europas und ermittelten eine Stelle im Dorf Purnuškės etwas nördlich von Vilnius.

Geologie

Litauen liegt innerhalb der Osteuropäischen Plattform und ist daher tektonisch seit geologisch längerer Zeit relativ ruhig. Die heutige Oberfläche wurde entscheidend durch die mehrmaligen Vorstöße des Inlandeises während des Eiszeitalters geprägt. Nur ganz vereinzelt stehen deshalb ältere Gesteine an der Erdoberfläche an. Landschaftlich gehört fast ganz Litauen zum Jungmoränenland, das vom Eis der letzten, der Weichseleiszeit überdeckt wurde. Vor ca. 20.000 Jahren, auf dem Höhepunkt der Weichselvereisung, blieb lediglich ein kleiner Streifen im äußersten Südosten eisfrei.

Im Westen grenzt das Land mit Sandstränden an die Ostsee. Der Niederlitausche Landrücken im westlichen Teil Litauens gehört zum Baltischen Landrücken. Das Hügelland im Südosten gehört zum Weißrussischen Höhenrücken. Hier liegen die mit 294 m höchsten Erhebungen Litauens (Aukštasis kalnas und Juozapinės kalnas). Die größten Flüsse sind Memel und Neris, die beide in Weißrussland entspringen. Im Nordosten befindet sich die Seenplatte von Hochlitauen. Zahlreiche Seen gibt es auch im Süden. Insgesamt nehmen Seen etwa 1,5 Prozent der Landesfläche ein. Ein Teil des Kurischen Haffs und derKurischen Nehrung gehört ebenfalls zu Litauen.

Den größten Teil der Landesfläche nehmen landwirtschaftliche Nutzflächen ein. Knapp über 30 Prozent der Fläche ist von Wäldern bedeckt und über 3 Prozent werden von Mooren und Sümpfen eingenommen.

Klima

Das Klima in Litauen ist ein gemäßigtes Kontinentalklima. Der an der Küste vorherrschende Westwind trägt warme und feuchte Luft von der Ostsee ins Landesinnere.

Wärmster Monat ist der Juli mit durchschnittlich 17 °C, kältester Monat der Januar mit durchschnittlich -5,1 °C. Die Jahresdurchschnittstemperatur liegt bei 6,2 °C.

Die mittlere jährliche Regenmenge liegt bei 661 mm, im Südwesten deutlich darüber, im Norden darunter.

Umwelt

Es gibt über 200 Naturschutzgebiete verschiedener Bestimmung und verschiedenen Ranges in Litauen. Dazu gehören 5 Nationalparks, 7 Schutzgebiete nach der Ramsar-Konvention, 4 Totalreservate, 30 Regionalparks. Über 14 Prozent der Landesfläche werden von Naturschutzgebieten eingenommen, wie etwa dem Gebiet Praviršulio tyrelis. Ein unter Moorkundlern sehr bekanntes Hochmoor ist das Moor Aukštumala zwischen Sowetsk und Klaipėda, da es weltweit das erste Moor war, dem eine spezielle Monographie (C.A. Weber, 1902) gewidmet war. Während der westliche Teil noch sehr gut erhalten ist, wird im östlichen Teil von einer Tochter der deutschen Firma Klassmann-Deilmann großflächig Torf abgebaut. Das Hochmoor ist Teil des Regionalparks Memel-Delta.

Bevölkerung

Demografie

Die litauische Bevölkerung verringert sich seit dem Ende der Sowjetunion 1990 kontinuierlich. 1992 war mit knapp über 3,7 Millionen Einwohnern das Maximum erreicht, 2000 waren es noch 3,5 Millionen, und 2010 waren es nur noch 3,32 Millionen Einwohner. Zu diesem Rückgang trägt die Abwanderung (siehe unten) ebenso bei wie der Sterbeüberschuss. Bei den Geburten wurde 2002 mit 30.000 Geburten (8,6 je 1.000 Einwohner) der absolute Tiefpunkt erreicht, seither ist die Rate wieder leicht angestiegen: 2010 waren es landesweit 35.625 Geburten (10,8 je 1.000 Bewohner). Während der Westen des Landes gebärfreudiger ist als der Rest Litauens, ist der Sterbeüberschuss in den östlichen Grenzregionen am größten, da sie am stärksten von Überalterung betroffen sind (über 20 Todesfälle pro 1.000 Einwohner in den Landkreisen Ignalina, Švenčionys und Zarasai, im Landesdurchschnitt 13,5 für 2007). Am 28. September 2012 gab das Statistikamt Litauens bekannt, dass seit dem April des gleichen Jahres weniger als 3 Millionen Menschen in Litauen leben. Der Grund ist auch hier die Migration. Etwa 15.100 Litauer wanderten von Januar bis August 2012 in ein anderes Land aus. Die Mehrheit davon sind junge Erwachsene. Sie sehen im Ausland eine größere Chance auf dem Arbeitsmarkt als in Litauen.

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat Litauen einen rasanten Wandel zu einer urbanen Gesellschaft erlebt. 1959 lebten noch 3/5 der Bevölkerung auf dem Land, 1970 war das Verhältnis ausgeglichen, und 1990 war das heutige Verhältnis von 2/3 städtischer Bevölkerung zu 1/3 Landbevölkerung erreicht.

Migration

Schätzungen zufolge leben oder arbeiten etwa 200.000 Litauer im westlichen Ausland, ohne dass die litauischen Meldebehörden hiervon offizielle Kenntnis haben. Nach statistischen Angaben haben seit 2005 über 218.000 Menschen offiziell das Land verlassen; bei einer Zuwanderung von gut 60.000, ein Wanderungsverlust von knapp 158.000 Menschen, was mehr als 3 % der Bevölkerung ist. Das litauische Statistikamt gibt die inoffizielle Abwanderung für 2001 bis 2007 mit etwa 112.000 Personen an. Seither stellen Litauer stets 85 % der Auswanderer, 2001 war weniger als die Hälfte litauischer Staatsangehörigkeit. Andersherum stellen die Litauer seit 2005 etwa 70 % der Einwanderer, während es 2001 nur 15 % waren. Mit der guten wirtschaftlichen Entwicklung in Litauen hat die (offizielle) Immigration aus dem Nachbarland Weißrussland zugenommen, liegt aber weiterhin deutlich unter 1.000 Personen im Jahr, im Saldo bei unter 500 Personen. Zwischen 2009 und 2010 gab es einen markanten Unterschied: So haben 2009 nur 22.000 Menschen das Land verlassen, 2010 hingegen 84.000 Menschen. 2011 gab es einen Rückgang: 54.000 Menschen haben das Land verlassen, 16.000 sind dagegen eingewandert. Bis dato ist das Vereinigte Königreich das beliebteste Auswanderungsziel der Litauer. An zweiter Stelle folgt Irland.

Lebenserwartung

Die statistische durchschnittliche Lebenserwartung liegt in Litauen aktuell (2012) bei 73 Jahren, mit einer deutlichen Ungleichverteilung nach dem Geschlecht: Frauen werden im Schnitt 78,8 Jahre alt (in Deutschland 82,1 Jahre), Männer nur 67,9 (in Deutschland 76,6 Jahre). Im Vergleich zu 1990 ist sowohl die Lebenserwartung der Frauen (von 76,3 Jahren) als auch die der Männer (von 66,4 Jahren) gestiegen. 2007 war bei den Männern noch ein leichter Rückgang zu verzeichnen gewesen. Der Alkoholmissbrauch hat dabei bei den Männern deutlich negative Auswirkungen auf die Lebenserwartung. Seit 2007 steigt die Lebenserwartung jedoch auch bei den Männern.

Laut WHO war Litauen im Jahr 2005 mit statistisch 38,6 Fällen pro 100.000 Einwohner das Land mit der höchsten Selbstmordrate weltweit. Mittlerweile ist Litauen mit durchschnittlichen 35,6 Fällen (im Jahr 2009) pro 100.000 Einwohner (61.3 Fällen bei Männern, 10.4 bei Frauen) immer noch führend auf der Liste der Selbstmordraten, gefolgt von Russland mit 31.7 Fällen (im Jahr 2006) pro 100.000 Einwohner.

Ethnien

Der mit Abstand größte Teil der Bevölkerung besteht aus Litauern. Jedoch gibt es im Land auch nationale Minderheiten. Die polnische Minderheit in Litauen, die vor allem in und um Vilnius lebt, ist teilweise seit mehreren hundert Jahren ansässig. Russen sind zumeist während und nach dem Zweiten Weltkrieg nach Litauen gekommen, als das Land noch Teil der Sowjetunion war. Die russischsprachige Bevölkerung konzentriert sich auf die Hauptstadt Vilnius, die Hafenstadt Klaipėda (Memel), die Region Kleinlitauen (Mažoji Lietuva) und auf Industriestandorte wie Elektrėnai und Visaginas. Während Russisch bei älteren Litauern (>35 Jahre) noch als Lingua Franca gilt, übernimmt bei den Jüngeren nunmehr das Englische diese Rolle.

Jahr 1979 1989 2001 2007 2011
Litauer 80,0 79,6 83,5 84,6 83,9
Russen 8,9 9,4 6,3 5,1 5,4
Polen 7,3 7,0 6,7 6,3 6,6
Weißrussen 1,7 1,7 1,2 1,1 1,3
Ukrainer 1,0 1,2 0,7 0,6 0,6
Juden 0,4 0,3 0,1 0,1 0,1
Deutsche 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1

Quelle: Statistikamt Litauens

Daneben leben in Litauen (2007) noch 3.100 Tataren (1989: 5.200), 2.900 Roma (1989: 2.700), 2.400 Letten (1989: 4.200) und 8.000 Personen anderer Nation (1989: 13.400). Die kleinste Minderheit stellen die Karäer dar, ein Turkvolk, das überwiegend in Trakai siedelt und ca. noch 265 Menschen zählt.

Sprachen

Litauisch

Litauisch als Muttersprache sprechen ca. 2.694.000 Einwohner (inklusive der Sprecher des Schemaitischen). Das Litauische gehört zu den baltischen Sprachen, zu denen auch dasLettische zählt. Es gilt in vielen Eigenschaften als besonders archaisch und daher der rekonstruierten indogermanischen Ursprache besonders nahestehend.

Andere Sprachen

Polnisch sprechen ca. 358.000, Russisch ca. 344.000, Weißrussisch ca. 63.000, Ukrainisch ca. 45.000, Tatarisch ca. 5.100, Lettisch ca. 5.000, Karaimisch ca. 300.

In Klaipėda (Memel) und auf der Kurischen Nehrung finden sich noch einige Litauer, die Deutsch sprechen. Polnisch ist im östlichen Teil, besonders in den ländlichen Regionen um Vilnius und im Gebiet um die Ortschaft Dieveniškės, häufig anzutreffen, da dort trotz derVertreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg eine große polnische Minderheit verblieben ist. Durch die lange Präsenz des Russischen in Litauen hat sich das von den Polen gesprochene Polnisch teilweise mit russischen Wörtern und Ausdrücken vermischt, welches nun alslitauisches Polnisch gesprochen wird.

Religion

Der Großteil der Litauer (80 Prozent) ist römisch-katholisch und gehört der Katholischen Kirche in Litauen an, etwa 4,1 Prozent sind russisch-orthodox. Etwa 1,9 Prozent gehören zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Litauen und 0,2 Prozent (7000 Mitglieder) gehören zur Evangelisch-Reformierten Kirche in Litauen. Laut einer Umfrage vom Oktober 2008[15] bezeichnen sich gut zwei Drittel der befragten Katholiken als den Glauben praktizierend. 10 % aller Befragten sahen sich als nicht gläubig. Eine Beteiligung der (katholischen) Kirche an der Gesetzgebung oder Wortmeldung zu aktuellen Themen oder Wahlempfehlungen lehnt die überwiegende Mehrheit ab (75 bis 80 %, je nach Fragestellung).

Vilnius ist der Sitz eines Apostolischen Nuntius, der als diplomatischer Vertreter des Papstes für Estland, Lettland und Litauen zuständig ist. Es leben ca. 21.000 (0,6 Prozent) Moslems in Litauen sowie ca. 3.000 Zeugen Jehovas.

Der Anteil der jüdischen Bevölkerung in Litauen betrug vor dem Zweiten Weltkrieg etwa 9 Prozent. Während der deutschen Besetzung Litauens 1941 bis 1944 wurden über 90 Prozent der jüdischen Einwohner ermordet.

Geschichte

Der Anfang Litauens als Staat liegt im 13. Jahrhundert, nachdem baltische Stämme das heutige Staatsgebiet etwa ab 3.000 vor Christus besiedelt hatten. Fürst Mindaugas, der sich 1253 vom Papst abgesegnet sogar zum König krönen ließ, brachte die Nachbarstämme mit militärischer Gewalt unter seine Hoheit. Sein Fürstentum / Königreich umfasste bei seinem Tod 1263 in etwa das Gebiet des heutigen Litauens. Die Staatenbildung erfolgte gerade noch zeitig genug, um den von Norden und Süden vordringenden Rittern des Deutschen Ordens erfolgreich Widerstand leisten zu können (siehe Litauerkriege des Deutschen Ordens).

Parallel dazu erfolgte bereits im 14. Jahrhundert die Expansion nach Osten. Aus dem Zerfall der alten Kiewer Rus nach demMongolensturm bis 1240 hatten sich mehrere Nachfolgefürstentümer entwickelt. Durch den Deutschen Orden wurde Litauen an einer expansiven Westpolitik gehindert, während die Ostflanke durch den Tatareneinbruch offen lag. In dieses Machtvakuum stieß nun Litauen vor und geriet mit der Eroberung von Kiew (nach 1362) in die Konkurrenz zum Großfürstentum Moskau um die Vorherrschaft unter den russischen Teilfürstentümern. Die litauische Ostexpansion fand ihren Höhepunkt in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts.

Großfürst Jogaila übernahm 1386 durch Heirat und den Übertritt zum Christentum (nach Mindaugas’ Tod 1263 war Litauen wieder heidnisch „geworden“) die polnische Königskrone und gründete damit die Polnisch-Litauische Personalunion. Jogaila (polnisch: Jagiello) begründete das Herrschergeschlecht der Jagiellonen. Nach der siegreichen Schlacht bei Tannenberg 1410 wurde die Bedrohung durch den Deutschen Orden endgültig beseitigt. Diese Schlacht war von einem vereinten polnisch-litauischen Heer gewonnen worden.

Die enge politische Einheit Polens und Litauens mündete 1569 in die Realunion von Lublin, die das Ende des eigenständigen Litauens bedeutete, nachdem der litauische Adel bereits in den vorangegangenen Jahrzehnten zunehmend unter den Einfluss der polnischen Kultur und Sprache gelangt war. So ging Litauen in den Zeiten der Reformation den polnischen Weg und blieb katholisch, während das nördliche, deutsch beeinflusste Baltikum protestantisch wurde. Litauen blieb bis zu den Teilungen Polens bei Polen und kam dann 1795 unter russische Herrschaft. Zwei polnisch-litauische Aufstände in den Jahren 1831 und 1863 wurden vom russischen Zaren blutig unterdrückt.

Der Erste Weltkrieg und die Schwächung des Russischen Kaiserreiches führten im Februar 1918 – unter deutscher Besatzung – zur Ausrufung der unabhängigen Republik Litauen, die nach Kämpfen gegen Rote Armee und polnische Truppen auch durchgesetzt werden konnte. Hauptstadt war in dieser Zeit allerdings nicht der historische Großfürstensitz Vilnius, sondern Kaunas, da das Vilniusser Gebiet von Polen besetzt war (1920 bis 1939, 1923 vom Völkerbund anerkannt). Die parlamentarische Demokratie, die mit der Verfassung von 1922eingeführt worden war, wurde durch den Putsch von Antanas Smetona im Dezember 1926 beseitigt; Smetona regierte anschließend diktatorisch bis 1940. Es wurden neue Verfassungen eingeführt, welche die autoritäre Führung Smetonas bestätigten, darunter dieLitauische Verfassung von 1928 und die von 1938. Im März 1939 musste Litauen das Memelland, das es 1923 besetzt hatte, anDeutschland zurückgeben.

Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verstärkte sich der Druck der Sowjetunion. Smetona dankte im Juni 1940 ab, und nach dem Einmarsch sowjetischer Truppen wurde eine pro-sowjetische Regierung ins Amt gebracht, die den Beitritt zur Sowjetunion erklärte (3. August 1940). Im Juni/Juli 1941 besetzten Truppen der deutschen Wehrmacht in einem Blitzkrieg das litauische Staatsgebiet.Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD mit litauischen Hilfswilligen ermordeten in der Folgezeit bis Dezember 1941 einen Großteil der jüdischen Bevölkerung, die Überlebenden wurden in Ghettos konzentriert. 90 % der jüdischen Bevölkerung des Landes erlebten das Kriegsende nicht.

Im Sommer 1944 besetzte die Rote Armee wieder große Teile Litauens und erklärte die Litauische Sozialistische Sowjetrepublik (LSSR) erneut. Der Widerstand der sogenannten „Waldbrüder“ gegen die sowjetische Besatzung stand ohne ausländische Unterstützung auf verlorenem Posten und war ab 1948 auf einige wenige Partisanenverbändegeschrumpft. Stalin ließ 1949 in einer dritten großen Deportationswelle Zehntausende „staatsfeindliche Elemente“ nach Sibirien deportieren, nachdem bereits 1940/41 und 1945/46 Verhaftungen und Deportationen in großem Stil durchgeführt worden waren. Viele der Deportierten starben in den Straflagern im Osten der Sowjetunion. Zu den Deportierten gehörten auch deutsche „Wolfskinder“, die im Verlauf der Kriegswirren vor dem Verhungern aus dem Königsberger Gebiet nach Litauen geflohen und oft bei Bauern untergekommen waren.

Im Zuge der Perestrojka, die im Baltikum die singende Revolution auslöste, erklärte sich Litauen 1990 zum souveränen Staat und benannte den Obersten Sowjet in Verfassunggebende Versammlung um. Island war der erste Staat, der, ebenfalls 1990, das unabhängige Litauen anerkannte. Am Vilniusser Blutsonntag, dem 13. Januar 1991, versuchten pro-sowjetische militärische Kräfte erfolglos, die junge Demokratie mit Panzern zu stürzen, 14 jugendliche Demonstrierende starben am Fernsehturm. In Reaktion darauf erklärten am 8. Februar 1991 85 % der Litauer in einer Volksabstimmung ihr ‚Ja‘ zur Unabhängigkeit des Landes. Nach dem misslungenen Moskauer Putsch gegen Gorbatschow im August 1991 erkannten die Länder des Westens die Unabhängigkeit Litauens, wie auch der Nachbarländer Lettland undEstland an. Nach anfänglicher Wirtschaftskrise und politischer Instabilität aufgrund einer radikalen Privatisierung gewann die Reformpolitik zunehmend an Dynamik, insbesondere nach Überwindung der Russland-Krise im Jahre 2000. Litauen wurde 2004 Mitglied von EU und NATO. Seit 21. Dezember 2007 ist Litauen Teil des Schengener Raums.

Politik

System und Organisation

Litauen ist eine semipräsidentielle Demokratie. Hauptstadt und Regierungssitz der Republik Litauen ist Vilnius. Nach der Verfassung ist die Republik Litauen eine demokratischeund rechtsstaatliche Republik mit Gewaltenteilung. Das Vertrauen der Bürger in die Realisierung der Demokratie ist jedoch eher gering: In der Eurobarometer-Umfrage vom April 2006 „Wie zufrieden sind Sie damit, wie die Demokratie in Ihrem Land funktioniert?“ äußerten sich nur 23 Prozent positiv.

Präsident

Staatsoberhaupt ist der Präsident, der im Gegensatz etwa zum deutschen Bundespräsidenten nicht nur repräsentative Aufgaben wahrnimmt. Vielmehr ist der Präsident der Republik Litauen noch vor dem Außenminister verantwortlich für die Außenpolitik des Landes. Darüber hinaus verfügt er über ein weitgehendes Veto-Recht, das es ihm ermöglicht, zuvor vom Seimas erlassene Gesetze zu blockieren. Protokollarisch gesehen folgen ihm der Vorsitzende des Seimas und der Ministerpräsident, die gemäß der Verfassung in Abwesenheit des Präsidenten die Republik Litauen (im Inland) leiten bzw. gegenüber ausländischen Staatsgästen vertreten können. Die Präsidentin ist Dalia Grybauskaitė (* 1956).

Parlament

Das litauische Parlament wird Seimas genannt. Der Name stammt von der polnischen Bezeichnung Sejm und verweist auf die lange gemeinsame litauisch-polnische Geschichte. Das Einkammerparlament besteht aus 141 Parlamentariern, die für vier Jahre gewählt werden. Die letztenParlamentswahlen erfolgten im Oktober 2012. Vorsitzende des Seimas’ ist Loreta Graužinienė (* 1963) von der Arbeitspartei. Das Parlament hat die Befugnis, mit Zweidrittelmehrheit die Verfassung zu ändern.

Regierung

Der Regierungschef Litauens ist der Ministerpräsident. Er besitzt die Richtlinienkompetenz für die Politik der Regierung.

Die Verwaltung Litauens wird jeweils durch die Fachminister geleitet, sie stehen an der Spitze des Ministeriums und anderer untergeordneter Behörden.

Rechtsordnung

Menschenrechte

Für internationales Aufsehen sorgte Litauen 2009, als ein „Moralgesetz“ verabschiedet wurde, das die Diskriminierung von Homosexualität fördere. Zwar lehnte auch Staatsoberhaupt Dalia Grybauskaitė das Gesetz ab, jedoch sah sie sich verfassungsrechtlich gezwungen, es zu unterschreiben.

Parteienlandschaft

Die litauische Parteienlandschaft ist zersplittert. Den kleineren Parteien kommt durch die häufigen Regierungskrisen und wechselnde Mehrheiten im Parlament ein nicht unerheblicher Einfluss bei der parlamentarischen Willensbildung zu.

Außer den Konservativen (Tėvynės Sąjunga) und Sozialdemokraten (Lietuvos socialdemokratų partija) haben die meisten Parteien keine ausgeprägte Parteienhierarchie. Sie sind in der Festlegung ihrer praktischen Positionen mehr von ihren politischen Führungskräften und deren persönlichen Interessen abhängig, als von Parteiprogrammen oder festen ideologischen Ansichten.

Mehrere Parteien wurden zu dem Zweck gegründet, Einzelpersonen eine Parteiplattform zu bieten: etwa 1998 die Neue Union für Artūras Paulauskas, 2002 die Ordnung und Gerechtigkeit (Liberaldemokraten) für Rolandas Paksas, 2003 die Arbeitspartei für Viktoras Uspaskichas oder 2006 die Liberale Bewegung für Petras Auštrevičius. Die genannten Parteiführer konnten sich zuvor in ihrer Stammpartei nicht durchsetzen und gründeten kurzerhand eine neue Partei, um ihren Interessen mehr Gewicht zu verleihen. Auch die jüngste erfolgreiche Parteigründung der Volksauferstehungspartei (seit April 2008) ist mehr von ihrem populären Vorsitzenden Arūnas Valinskas bestimmt, denn von ihren programmatischen Aussagen.

Fast alle Parteien verfolgen ein marktwirtschaftliches Konzept, am offensten die Liberalen der Liberalen und Zentrumsunion und der Liberalen Bewegung sowie die Konservativen – mit Einschränkungen auch die Sozialdemokraten, die Arbeitspartei und die Liberaldemokraten. Die Konservativen und die Liberalen finden ihre Wählerschaft eher unter den Gebildeten und „Gewinnern“ der letzten zehn Jahre, während Sozialdemokraten, Arbeitspartei und Liberaldemokraten mit populistischen Versprechungen bei der einfachen Bevölkerung, die in den letzten Jahren wenig vom Wirtschaftsaufschwung profitiert hat, um Unterstützung werben. Geografisch gesehen sind die liberalen Parteien fast ausschließlich in den Städten vertreten, während sich die Bauernpartei und die Christdemokraten auf die ländliche Bevölkerung stützen.

Nach der Affäre um den ehemaligen Präsidenten Rolandas Paksas ist ein Teil seiner Wählerschaft zur neu gegründeten Arbeitspartei übergelaufen. Paksas hatte viele der weniger wohlhabenden Wähler für sich eingenommen, indem er versprach, ihre Interessen, die Interessen der runkeliai („Rüben“) gegen die machtpolitischen Eliten des Landes zu verteidigen. Mit dem Niedergang der Arbeitspartei haben die Liberaldemokraten ihre Stellung festigen können. Sie sind neben Sozialdemokraten und Konservativen in Stadt und Land gleich stark vertreten.

Nach der Zersplitterung der Parteienlandschaft nach den Wahlen von 1996 war in den letzten Jahren eine gewisse periodische Konsolidierung jeweils vor den anstehenden Wahlenfestzustellen, um in einer Koalition die Wahlaussichten zu verbessern, so etwa die Koalition von Liberaler Union, Zentrumsunion und Modernen Christdemokraten zur Liberalen und Zentrumsunion im Jahr 2003. Die Sozialdemokraten bildeten mit den Sozialliberalen 2004 angesichts verheerender Wahlprognosen ein Wahlbündnis A. Brazausko ir A. Paulausko koalicija „Už darbą Lietuvai“ (A. Brazauskas’ und A. Paulauskas’ Koalition „Arbeit für Litauen“), hier allerdings nur für die Wahl auf Basis zweier eigenständiger Parteien. Zuletzt erfolgte der Zusammenschluss der Christdemokraten mit dem Vaterlandsbund.

Lobbyismus

Interessenverbände spielen im politischen System eine nicht so wichtige Rolle wie in anderen Ländern. Die Gewerkschaften haben sehr geringe Bedeutung im politischen und sozialen Leben. Die Abgrenzung der Parteien untereinander ist gering und kaum durch ideologische Barrieren behindert. Hingegen spielt die persönliche Bekanntschaft eine große Rolle und wird daher auf den verschiedenen Ebenen der politischen Entscheidungsfindung geltend gemacht.

Außenpolitik

Litauen ist Mitglied vieler internationalen Organisationen. Die wichtigsten Leitlinien litauischer Außenpolitik sind die Westbindung, die transatlantische und europäische Integration, regionale Stabilität in Europa.

Während des Konfliktes um die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine im November/Dezember 2004 engagierte sich der litauische Präsident Valdas Adamkus gemeinsam mit dem polnischen Präsidenten Aleksander Kwaśniewski als Vermittler zwischen den Konfliktparteien. Die Medien beider Länder unterstützten Wiktor Juschtschenko.

Seit dem 29. März 2004 ist Litauen Mitglied der NATO und seit dem 1. Mai 2004 Mitglied der EU. Die für den 1. Januar 2007 geplante Einführung des Euro ist auf 2015 verschoben worden.

Mit der Erweiterung des Schengener Raums 2007 trat auch Litauen diesem bei. Die Grenzkontrollen an der Grenze zu EU-Staaten wurden am 21. Dezember 2007 abgeschafft.

Das Verhältnis zwischen Litauen und Russland ist angespannt. Unter anderem verbot die russische Regierung den Import von Milchprodukten aus Litauen. Die litauische Regierung nahm hingegen einen russischen Fernsehsender aus dem Programm.

Sicherheitspolitik

Zentraler Aspekt für die Sicherheitspolitik und Ausdruck der Westbindung ist die Mitgliedschaft in der NATO, der Litauen 2004 beitrat.

Europapolitik

Litauen ist seit dem 1. Mai 2004 Mitgliedstaat der Europäischen Union. Die Beitrittsverhandlungen zwischen Litauen und der EU erreichten 2001 wichtige Fortschritte, die hauptsächlich unter der damaligen schwedischen EU-Ratspräsidentschaft erzielt wurden. Litauen hatte sich in einem Volksentscheid im Mai 2003 mit über 90 % Zustimmung für die Mitgliedschaft (ab Mai 2004) in der Europäischen Union entschieden. Erstmals seit dem Start der Währungsunion verweigerte die Europäische Kommission im Jahr 2006 einem Mitgliedsland die Euro-Einführung. Litauen durfte wegen überhöhter Inflation nicht der Euro-Zone beitreten.

In der zweiten Jahreshälfte 2013 (Juli bis Dezember 2013) übernahm Litauen die EU-Ratspräsidentschaft und folgte damit Irland (Januar bis Juni 2013). Abgelöst wurde Litauen durch Griechenland (Januar bis Juni 2014).

Verwaltungsgliederung

Seit der Verwaltungsreform der 1990er Jahre gibt es in Litauen nur eine Ebene von Gebietskörperschaften mit gewählten Ratsversammlungen und gewählten Bürgermeistern. Das sind die 60 Savivaldybės (Selbstverwaltungen). In Zuschnitt und Funktion liegen sie zwischen deutschen Gemeinden und deutschen Kreisen. Man unterscheidet 7 Stadtgemeinden, 2 selbstverwaltete Kurorte, 43 Rajongemeinden (aus früheren Kreisen/Rajonen hervorgegangen) und 8 genuine Gemeinden.

Unterhalb der Selbstverwaltungen gibt es noch die über 600 Gemeindebezirke, mit administrativen Aufgaben aber ohne Selbstverwaltungsorgane.

Die meisten Städte und Dörfer sind keine Gebietskörperschaften, sondern nur statistische Einheiten.

Über den Selbstverwaltungen gibt es noch eine Verwaltungsebene. Die 10 Verwaltungsbezirke (lit. apskritis, pl. apskritys):

  1. Bezirk Alytus (Alytus)
  2. Bezirk Kaunas (Kaunas)
  3. Bezirk Klaipėda (Klaipėda)
  4. Bezirk Marijampolė (Marijampolė)
  5. Bezirk Panevėžys (Panevėžys)
  6. Bezirk Šiauliai (Šiauliai)
  7. Bezirk Tauragė (Tauragė)
  8. Bezirk Telšiai (Telšiai)
  9. Bezirk Utena (Utena)
  10. Bezirk Vilnius (Vilnius)

Bis zum 1. Juli 2010 waren die Bezirke mit von der Regierung eingesetzten Präfekten ohne gewählte Organe, aber mit den Verwaltungen (Beamten) ausgestattet.

Religion

Traditionell wird Litauen in vier historische Regionen eingeteilt: Das sind: Aukštaitija (Oberlitauen) im Nordosten bis hinunter zur Hauptstadt Vilnius, die größte der vier Regionen, Žemaitija (Niederlitauen), die traditionell wohlhabende Suvalkija, (auch Sūduva), im Südwesten und die traditionell eher arme Dzūkija im Süden. Eine fünfte Region, die aber heute in Litauen meistens als Teil von Niederlitauen angesehen wird, bildet Kleinlitauen (Mažoji Lietuva), das den äußersten westlichen Streifen Litauens bildet und bis 1918 als Teil Ostpreußens zum Deutschen Reich gehörte. Aukštaitija ist teils sehr hügelig und seenreich, im Zentrum dieser Gegend liegt der Nationalpark Aukštaitija.

Militär

Im Zuge der NATO-Osterweiterung wurden 1999 Tschechien, Polen, Ungarn Mitglieder der NATO. Danach erfolgte die Einladung der Länder Estland, Lettland, Litauen, der Slowakei, Slowenien, Bulgarien und Rumänien, welche am 29. März 2004 der NATO beitraten.

Mangels eigener moderner Jagdflugzeuge ist ständig eine Staffel von Jagdfliegern der NATO-Verbündeten auf dem Flugplatz Zokniai bei Šiauliai stationiert.

Litauische Truppen nehmen an internationalen Friedensaktionen im Kosovo und Afghanistan teil. Als George W. Bush Anfang 2003 bei verbündeten bzw. befreundeten Staaten um Unterstützung im Irakkrieg (Dritter Golfkrieg) warb, erklärten sich einige osteuropäische Staaten (darunter Litauen) zur Hilfe bereit;[23] Litauen war von Beginn an ein Land derKoalition der Willigen; es stellte Unterstützungstruppen (Sanitätspersonal, Logistik) für den Einsatz im Irak. Im Juni 2006 waren 150 Litauer im Irak.

Bei der Suche von Seeminen (Ostsee) arbeiten die Streitkräfte Litauens eng mit Belgien, Estland, Frankreich, Deutschland, Lettland, den Niederlanden, Norwegen, Schweden und Großbritannien zusammen.

Wirtschaft

Entwicklung

Mit dem Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft war ein struktureller Wandel verbunden. Dieser hat sich seit dem Beitritt des Landes zur EU im Jahr 2004 verschärft. Der befürchtete Niedergang der Landwirtschaft blieb aus.

Wichtigste Exportartikel Litauens sind seither Maschinen, Elektroartikel, Textilien, Lebensmittel.

Tourismus

Das Land hatte 2011 1,79 Millionen ausländische Touristen; die größte Gruppe nach Herkunftsstaat bildeten Russen.

Staatshaushalt

Der Staatshaushalt umfasste 2009 Ausgaben von umgerechnet 16,6 Mrd. US-Dollar, dem standen Einnahmen von umgerechnet 13,1 Mrd. US-Dollar gegenüber. Daraus ergibt sich einHaushaltsdefizit in Höhe von 9,6 % des BIP.
Die Staatsverschuldung betrug 2009 7,6 Mrd. US-Dollar oder 20,9 % des BIP.

2006 betrug der Anteil der Staatsausgaben (in % des BIP) folgender Bereiche:

  • Gesundheit: 6,2 %
  • Bildung: 5,0 % (2005)
  • Militär: 1,7 % (2007)

Infrastruktur

Energie

In Litauen wurden in den 1990er und 2000er Jahren zum Teil mehr als 75 Prozent der nötigen Elektrizität durch das Kernkraftwerk Ignalina(Bautyp: RBMK wie auch in Tschornobyl) bereitgestellt. In dieser Zeit hatte Litauen neben Frankreich den höchsten Prozentsatz an Atomstrom in der Welt. Nachdem der erste Reaktor zu Jahresbeginn 2005 abgeschaltet wurde, ging der zweite (und letzte) Reaktor wegen der Verpflichtungen aus dem EU-Beitrittsabkommen zum 31. Dezember 2009 vom Netz. Ein von der litauischen Regierung bei denParlamentswahlen 2008 zur Abstimmung gestelltes Referendum über die Verlängerung der Laufzeit des AKW Ignalina wurde zwar von über 90 % der Abstimmenden bejaht, scheiterte jedoch an der zu geringen Wahlbeteiligung (48,4 %). In jedem Fall hätte die EU-Kommissioneiner Abänderung des Beitrittsvertrags wohl nicht zugestimmt. Das Gas- und Schwerölkraftwerk von Lietuvos energija in Elektrėnai, das zurzeit nur Spitzenlast abdeckt, wird in der Lage sein, die litauische Eigenversorgung an Strom bis 2015 zu gewährleisten. Allerdings bedingt das eine hohe Abhängigkeit von Lieferungen fossiler Brennstoffe (Gas, Schweröl) aus Russland. Um diese Abhängigkeit auf absehbare Zeit wieder zu reduzieren, ist der Bau des Kernkraftwerks Visaginas geplant. Im Referendum über einen Wiedereinstieg Litauens in die Kernenergienutzung am 14. Oktober 2012 sprachen sich 64,8 % der Wähler gegen das Kraftwerk aus.

Erneuerbare Energien werden in den letzten Jahren vermehrt eingesetzt, insbesondere Energieerzeugung aus Biomasse. Dafür sorgen insbesondere EU-Fördermittel sowie Nichtregierungsorganisationen und Verbände von Energieerzeugern. In Litauen waren im Jahr 2009 68 Windkraftanlagen in Betrieb, mit einer installierten Leistung von 91,2 MWe und einer jährlichen Auslastung von 21,89 %. Eine staatliche Förderung existiert nicht.

Telekommunikation

Litauen hat das in der EU und Europa am besten ausgebaute Glasfasernetz. Nach einer vom FTTH Council Europe 2013 veröffentlichten jährlichen Studie sind im Land 100% der Haushalte mit FTTH versorgt. Davon haben ca. 31% einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen. Damit ist Litauen im europäischen Vergleich prozentual führend. Schweden hat mit knapp 23% die nächst höchste FTTH-Durchdringung in Europa.

Verkehr

Litauen verfügt über eine große Bedeutung als Transitland zwischen Mitteleuropa und Nordeuropa, zwischen der Oblast Kaliningrad und dem russischen Kernland sowie zwischen Weißrussland und Skandinavien. Litauen besitzt außerdem eine wichtige Funktion als Erdöl-Transitland. Die Hauptstadt Vilnius befindet sich aufgrund ihrer Nähe zur stark abgeriegelten EU-Außengrenze nach Weißrussland in einer Art „totem Winkel“. Daher hat die zweitgrößte Stadt Kaunas in verkehrsplanerischer Hinsicht eine größere Bedeutung für Litauen als Vilnius.

Mit durchschnittlich 219 Verkehrstoten pro Million Einwohner im Jahr ist der Verkehr in Litauen der gefährlichste in der gesamten EU.

Straßen

Litauens Straßennetz befindet sich noch im Ausbau. Die wichtigsten Verbindungen sind die Autobahnen Vilnius–Kaunas–Klaipėda (dt.Memel) und Vilnius–Panevėžys sowie die Fernstraße E 67 „Via Baltica“ von Warschau über Kaunas und Riga nach Tallinn bzw. Helsinki, die langfristig zur Vollautobahn ausgebaut werden soll. Im Bau sind zudem Autobahnen rund um Šiauliai und in der Region Telšiai.

Schifffahrt

In Klaipėda befindet sich ein wichtiger Seehafen mit Fährverbindungen in den gesamten Ostseeraum (u. a. nach Kiel und Sassnitz) und zunehmender Bedeutung für den Frachtverkehr. Daneben sind die Memel und die Neris für die Binnenschifffahrt befahrbar.

Fluglinien

Litauen hat vier internationale Flughäfen: Vilnius, Kaunas (in Karmėlava); selten bzw. nur saisonal angeflogen werden Palanga und Šiauliai. Es bestehen Verbindungen in zahlreiche Länder Europas. Der Einzugsbereich des Flughafens Riga in Lettland erstreckt sich bis nach Litauen.

Auch Billigflüge mit AirBaltic, Ryanair und WizzAir werden aus deutschen Städten wie Frankfurt am Main, Hahn, Berlin, Bremen, Hamburg,Hannover, München, Düsseldorf, Dortmund und Karlsruhe angeboten.

Eisenbahn

Die schnellen Direktzugverkehre zwischen Vilnius und Warschau führten bis 1990 über bis dahin zur UdSSR gehörendes weißrussisches Gebiet. Zur Vermeidung der daraus resultierenden Grenzformalia wird über Šeštokai (LT) und Suwałki (PL) mit dem wiedereröffneten Eisenbahn-Grenzübergang Mockava eine alternative Nebenstrecke betrieben.

Über diese Strecke wird täglich eine Tagzugverbindung mit Umstieg in Šeštokai angeboten. Die Züge warten in der Regel aufeinander im Falle von Verspätungen.

Der direkte Nachtverkehr wird über eine hochwertige IC-Busverbindung bedient, deren Betreiber die polnische Staatsbahn PKP ist. Diese Busverbindung ersetzt den bis 2004 zwischen Vilnius und Warschau verkehrenden direkten Nachtzug.

Litauens Eisenbahn verkehrt (wie in der gesamten ehemaligen Sowjetunion und in Finnland) auf einer Spurweite von 1.524 mm (Mitteleuropa: 1.435 mm), weswegen die Züge von Polen ins Baltikum umgespurt werden müssen. Hierzu werden teilweise moderne Umspursysteme wie das polnische SUW-2000-System verwendet.

Busse

Für die nationale und internationale Personenbeförderung spielt auch der Autobusverkehr (z. B. Eurolines oder Ecolines) mit den Überlandbussen eine wichtige Rolle.

Kulturgeschichte

Litauen wird von vielen verschiedenen kulturellen Einflüssen geprägt. Da ist zum einen die lange Selbstständigkeit und Aufrechterhaltung einer nichtchristlichen Staatsreligion, die lange gemeinsame Geschichte mit Polen, Beziehungen zur Hanse und im Ostseeraum, Zugehörigkeit zum russischen Zarenreich. Hierher stammen die in den Großstädten nicht zu übersehenden orthodoxen Kirchen. Im Westen des Landes ist hanseatisch-nordeuropäische Tradition mit starken deutschen, dänischen und schwedischen Einflüssen sichtbar, z. B. (Backsteingotik, Fachwerkhäuser). Im Osten, besonders in Vilnius, sind vielfach polnische Kulturelemente präsent.

Die barocke Altstadt von Vilnius ist ein UNESCO-Weltkulturerbe, ebenso wie die Dünen auf der Halbinsel Kurische Nehrung (Neringa) und die archäologische Stätte Kernavė.

Film

Erste litauische Filme wurden bereits 1909 von nach Amerika ausgewanderten Litauern realisiert. Anfang der 1940er Jahre wurde das Lietuvos kino studija gegründet, das zur Zeit der Sowjetunion unter staatlicher Kontrolle war und zur alleinigen Zentrale für die litauische Filmindustrie wurde. Jährlich produzierte man etwa drei bis vier Spielfilme und dreißig bis vierzig Dokumentarfilme.

Nach der Unabhängigkeit 1990 ging die Zahl der litauischen Filme stark zurück und private Unternehmen übernahmen die Filmindustrie. Filmemacher wie Arūnas Matelis und Šarūnas Bartas erhalten Aufmerksamkeit auf internationalen Filmfestivals und Algimantas Puipa ist vor allem in Litauen kommerziell erfolgreich.

Museen und Galerien

Es gibt zahlreiche Museen und Galerien in Litauen. Nicht nur in den größeren Städten, sondern teilweise auch in abgelegen Gehöften, in denen berühmte Persönlichkeiten Litauens gelebt haben.

  • Nationalmuseum
    • Das Nationalmuseum befindet sich in Vilnius neben der Kathedrale. Weitere Filialen sind über die Stadt verteilt. Die Ausstellung ist reich an archäologischen und ethnographischen Exponaten.
  • Teufelsmuseum in Kaunas
    • In der litauischen Mythologie und als Symbol im Alltagsleben spielt der Teufel eine wichtige Rolle. Im Gegensatz zur mitteleuropäischen Vorstellungen gilt er nicht als die Verkörperung des absolut Bösen, sondern mehr als eine Art Trickster, der den Menschen auch hilft. Deshalb finden sich in der Öffentlichkeit verhältnismäßig viele Teufels-Statuen und -Abbildungen.
  • Das Bernsteinmuseum im Kurort Palanga an der Ostsee, im Schloss von Grafen Tiškevičius bietet unikale Kollektionen von Bernstein. Es gibt auch ein kleineres Bernsteinmuseum in Nida.
  • KGB Museum

Im Herzen von Vilnius befindet sich das ehemalige Gefängnis des KGB, das heute als Museum dient. Verschiedene Zellen und Erschießungskammern stehen zur Besichtigung.

Symbole und Heilige

  • Das Staatswappen zeigt einen gegen Westen reitenden Reiter (lit. vytis, zu vyti ‚jagen, verfolgen‘). Das litauische Wappen ist seit 1366 belegt.
  • Der Patron Litauens ist der Heilige Kasimir. Die Kasimirsmesse findet jedes Jahr am Wochenende vor dem 3. März in der Altstadt von Vilnius statt. Es werden Erzeugnisse des traditionellen und Kunsthandwerks angeboten und alte Künste und Gewerbe gezeigt.
  • Häufig anzutreffen ist eine Skulptur des Schmerzensmannes, litauisch Rūpintojėlis (dt. „der sich kümmernde“) genannt. Diese zeigt Jesus Christus in sitzender Haltung, das Kinn auf die Hand gestützt in sinnierender Haltung. Sie ist nichtkanonisch, weshalb eine Herkunft aus der vorchristlichen Religion erwogen wird. Als Souvenirs kann man kleine Skulpturen in vielen litauischen Galerien kaufen.
  • Bernstein ist ebenfalls ein typisches, häufig angebotenes Souvenir des Baltikumreisenden, auch wenn die meisten Steine aus der Oblast Kaliningrad stammen.
  • Der Berg der Kreuze (lit. Kryžių Kalnas) befindet sich bei der Stadt Šiauliai (dt. Schaulen). Er symbolisiert auch den Kampf gegen Sowjetmacht und Okkupation.
  • Die Weinraute, obwohl nicht in Litauen heimisch, gilt als Nationalblume. Sie war (und ist) insbesondere im Hochzeitsbrauch unabdingbar. Jetzt ist sie mithin noch in dörflichen Gärten und auf Friedhöfen anzutreffen.

Gesellschaftliches

Seit der Unabhängigkeit Litauens im Jahr 1991, die von breiten Bevölkerungsschichten unterstützt wurde, ist die Zustimmung zur Demokratie hoch. Dementsprechend haben sich relativ gefestigte Institutionen entwickelt. Auch bildeten sich in Litauen zunehmend gesellschaftlich verankerte Interessengruppen heraus, die Rolle der Gewerkschaften ist allerdings eher unbedeutend. Generell herrscht eher Skepsis gegenüber staatlichen Einrichtungen und den Entscheidungen des Parlaments.

Der Einfluss der Kirche in Litauen nahm seit der Unabhängigkeit des Landes 1991 stark zu. Homosexualität wurde 1993 zwar legalisiert, sie ist aber nach wie vor weithin ein Tabu.

Medien

In Litauen erscheinen neun national verbreitete Tageszeitungen, darunter die Lietuvos rytas und die deutschsprachige Baltische Rundschau; der Anteil der Tageszeitungsleser beträgt 29 Leser pro 1000 Einwohner. 49 % der Bevölkerung nutzte 2008 das Internet; die Breitbandverbreitungsquote lag bei 15 %.

Sport

Basketball ist der Nationalsport in Litauen. Die Litauische Basketballmannschaft zählt zu den besten Mannschaften Europas und konnte dreimal die Europameisterschaft gewinnen. Bereits 1937 und 1939 konnte Litauen die Europameisterschaften in dieser Sportart gewinnen. Diese Tradition fand ihre Fortsetzung in der sowjetischen Zeit als litauische Spieler immer wieder Teil der UdSSR-Auswahlteams waren. Bekannte Namen sind Kazys Petkevičius, Modestas Paulauskas, Sergėjus Jovaiša, Arvydas Sabonis, Rimas Kurtinaitis und Šarūnas Marčiulionis. Marčiulionis gehört zusammen mit Arvydas Sabonis zur Goldenen Generation litauischer Basketballspieler, die ab Anfang der 1980er Jahre zunächst für die Sowjetunion und ab 1991 für das wieder unabhängige Litauen zahlreiche Erfolge einheimsten. Beide wurden in die Hall of Fame der NBA aufgenommen (Sabonis im August 2011, Marčiulionis 2014).

Bei den ersten Olympischen Spielen nach der wiedererlangten Unabhängigkeit konnte das litauische Basketballteam der Herren 1992 in Barcelona überraschend Bronze gewinnen, ein Erfolg, der 1996 und 2000 wiederholt werden konnte. Nach Silber 1995 wurde die neue Generation um Šarūnas Jasikevičius und Arvydas Macijauskas 2003 Europameister.

Unter den Mannschaften im Basketball zählen „Žalgiris Kaunas“ und „Lietuvos Rytas“ (Vilnius) seit langer Zeit zu den Top-Adressen in Europa.

Andere Mannschaftssportarten fristen demgegenüber ein Schattendasein. Das größte Fußballstadion des Landes in Kaunas fasst gerade einmal 20.000 Zuschauer. Bei denolympischen Sportarten hat Litauen eine Tradition guter Werfer (Romas Ubartas und Virgilijus Alekna) sowie Radfahrer und Ruderer.

Der litauische Tennisspieler Ričardas Berankis erreichte im Jahr 2007 Platz eins der Juniorenweltrangliste und schaffte es im November 2010, als erster Litauer in die Top 100 derTennis-Weltrangliste einzuziehen. Mit Laurynas Grigelis gibt es noch einen weiteren Tennisspieler aus Litauen, der aktuell in den Top 300 steht.

2011 fand die Basketball-Europameisterschaft in Litauen statt.

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